Alice Gabathuler – "Starkstrom" – eine Rezension

starkstrom

„I’m rolling thunder, pouring rain
I’m coming on like a hurricane“

Mit dieser einleitenden Textpassage aus Hells Bells von AC/DC beschreibt uns Alice Gabathuler bereits treffend ihren 15 jährigen Titelhelden aus ihrem neusten Roman „Starkstrom“, erschienen im Thienemann-Verlag 2009.

Die Familie Regenass wohnt in einem etwas abgelegenen Bergdorf, in dem nebst dem schrulligen alten Nachbarn mit Presslufthammer noch andere mehr oder weniger normale Zeitgenossen beheimatet sind. Jonas hat so seine eigenen Zukunftsvorstellungen, die sich weit von denen seines dominanten Vaters unterscheiden.

Mit aufgesetzten Kopfhörern zieht sich Jonas nach Streitigkeiten mit seinem Vater gerne in die Welt des Schwermetalls und Hardrock zurück. So hört er auch zuerst nicht, dass der Bach sein Bett verlassen, das halbe Dorf überflutet und den unteren Stock ihres Hauses in einen See verwandelt hat. Dieses Naturereignis reisst nicht nur Gräben zwischen und durch die Häuser, sondern auch alte, festgefahrene Strukturen in der Dorfgemeinschaft auf. Wir lernen den Vater als sturen Bock kennen, wie er sein überschwemmtes Heim „von Hand retten“ will, treffen auf etwas überforderte Gemeindevertreter wie Feuerwehr und Gemeindepräsident, die ungeschickt versuchen den bockendenVater Regenass aus dem nun einsturzgefährdeten Haus zu bewegen.

Jonas, der in den Augen seines Vaters eh zu nichts zu gebrauchen ist, muss plötzlich agieren wie ein Erwachsener. Er bringt seine kleine Schwester und ihr Schmusedingens Freddy in Sicherheit, muss mit ansehen wie seine Mutter vom Unglück gezeichnet in Apathie versinkt und er im ganzen Chaos versucht, nicht selber den Verstand zu verlieren.

Nach einer Nacht im Schutzraum bricht das zweite Unglück über Jonas  und sein Dorf herein. Presse, Funk und Fernsehen berichten live vom Geschehen, Gaffer fallen ein wie Heuschrecken und bringen die eh schon aus den Fugen geratene Welt von Jonas noch mehr ins wanken. Neben all den verwirrenden Gefühlen wie Wut, Hilflosigkeit, Verzweiflung und Verantwortungsdruck kommt ein neues in Form grüner Bergseeaugen hinzu. Jonas verliebt sich ausgerechnet in Lili, die …

Aber hier möchte ich jetzt nicht zuviel verraten und empfehle den rund 250 Seiten starken Roman selber zu lesen. Nur soviel sei gesagt, wer beim Happy End keinen Kanonendonner hört ist selber Schuld.

***

Anfänglich hatte ich etwas Mühe, die vielen Charakteren einzuordnen, und sie wurden erst mit fortschreitender Geschichte greifbarer.  Andere Mitwirkende dagegen blieben durch die ganze Geschichte hindurch nur Statisten, da  die Sichtweise und Gefühlswelt von Jonas, sowie später die Verstrickungen um Lili, den Hauptstrang bilden. Zur Mitte hin gewinnt die Geschichte eindeutig an Fahrt und der eingestreute Sarkasmus fördert das Lesevergnügen.

Leider wird die Auflösung zwischen dem Spannungselement Vater/Jonas  (für mich eigentlich ein zentrales Schlüsselelement) für meinen Geschmack etwas gar oberflächlich und hastig erzählt. Möglicherweise der Tribut für die etwas vielen Themen (Naturkatastrophe, Liebesbeziehung, Presse-Ethik, Familienzwänge, Sektenproblematik, Andersartigkeit, usw.) , die Alice Gabathuler versucht in der Geschichte unter einen Hut zu bringen. Die ganze Sache mit der Sekte wirkte für mich dann zum Beispiel schon fast zu überladen. Das hätte man eventuell zugunsten einer überschaubaren Schilderung der sich verschiebenden Kräfte im Familien- und Dorfgefüge weglassen können. Aber das ist Geschmacksache und könnte für einen andere(n) Leser(in) wiederum zentral sein.

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Kurz und gut:
Neben den kleinen erwähnten Wermutstropfen hat mir das Buch gefallen und ich kann es mit gutem Gewissen allen Jugentlichen zwischen 12 und 92 als Bettlektüre für die kalte Jahreszeit empfehlen.

Posted by bobsmile

4 comments

Hallo,
meine Seite heißt Jugendbuchtipps.de – nicht Jugendbuch.de (siehe erster Link oben). Ansonsten scheinen wir bezüglich „Starkstrom“ ja einer Meinung zu sein.
Gruß, Ulf

Uups, sorry, habe den Link umgehend korrigiert, danke fürs Anmerken.

Betina Langrohr

Ein echt gutes Buch. Ich liebe es! Das beste Buch was ich jee gelesen habe. Es geht richtig unter die Haut und besonders hat mir die eine Stelle gefallen, wo Jonas und seine Mutter geweint haben. Außerdem wo die Außerirdischen den Nachbarn mit einer Analsonde untersuchen! :))

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