Plagiat! Alles nur geklaut, oder Frau Wetterfest goes Hegemann

Gestern Abend, kurz nach elf. Frau Wetterfest klopfte sich den Schnee aus der Schürze. Sie war wieder einmal seit langem vom Dach in meine Wohnung herabgestiegen, hatte wohl Lust auf eine Tasse Kaffee. Doch damit lag ich so ziemlich daneben.
„Ich schreibe ein Buch“, verkündete sie fröhlich.
„Oh, oh“, rutschte es mir heraus und ich blickte auf ihren vereisten Staubwedel. Irgendwie wird sie ihrem Namen immer gerechter.
„Und Sie“, Frau Wetterfest wedelt in meine Richtung, „Sie helfen mir dabei!“
Sie rutschte neben meinen Schreibtisch und stützte sich auf die Arbeitsplatte. An ihren hochgesteckten Haaren baumelten kleine Eiszapfen, deren Agregatszustand rasch in Flüssig überging und sich als kleine Wasserlache neben meiner Maus manifestierte.
„Ich? Helfen? Aber wie sollte ich …“
„Na, sie betreiben doch eine Bloghütte.“
„Ja schon, aber Bücher schreibt man …“
„Paperlapapp“, unterbrach mich Frau Wetterfest und hatte dabei so ein feuriges Glitzern in den Augen.
„Sie kennen doch sicher viele Blogs mit vielen schönen Texten.“
„Nun ja, da gibt es schon einige …“
„Eben! Und da bedienen wir uns jetzt und basteln daraus ein Buch.“
Frau Wetterfest wischte mit dem Lappen meinen Schreibtisch trocken und legte eine A4 Seite auf die Arbeitsplatte.
„Ich gebe den Kontext vor uns sie kopieren den Rest aus all diesen geistreichen Blogs zusammen.“
Ich glaube, die Kälte auf dem Dach bekommt Frau Wetterfest doch nicht so gut.
„Das geht nicht, das wäre ein Plagiat, Diebstahl am geistigen Eigentum“, belehrte ich sie und zog meine Maus aus der Gefahrenzone ihrer Eiszapfen.
„Aber nein. Lesen sie mal das hier. Ich habe zwar keinen einflussreichen Papa, aber ich habe ja Sie, und dann suchen wir uns auch so einen Verlag, der mein tolles Buch verkauft. Damit gewinne ich dann sicher auch den Wurlitzerpreis“.
„Pulitzerpreis“, dachte ich laut, doch schon sprudelte es weiter:
„Alles im Internet ist frei verfügbar, jeder darf und kann sich ungeniert an Ideen anderer bedienen. Es ist nicht Diebstahl, sondern Inspiration.“ Das letzte Wort gedehnt, mit hochgezogenen Augenbrauen.

Die Kälte. Es musste die Kälte sein, die Frau Wetterfests Sinne verwirren liess.
Ich versuchte es noch mit Argumenten wie, Inspiration sei nicht 1:1 Abkupfern und wenn doch, dann bitte mit Zitatsverweis und Quellenangabe und Druckrechte einholen.
Doch sie redete sich in Fahrt: „Also diese Hegemann hat mit diesem ganzen Copy-Paste Exzess ganz schön viel Aufmerksamkeit gezogen.“

Ich stand auf, schnappte mir ihrer Schürze und zog sie in die Küche. Dort schenkte ich ihr eine Tasse heissen, dampfenden Kaffee ein und hoffte, dass wenn schon nicht die Jury der Leibziger Buchmesse, dann wenigsten Frau Wetterfest wieder zur Vernunft kommen würde.

***

Hintergründiges zum Plagiatvorwurf an Helene Hegemann.
(„Sie kopiert, klaut und sagt, das sei ganz normal“ – BazOnline.ch):

Axolotl Roadkill – Roman Kurzbeschreibung bei buecher.de:

‚Schreckliche Leben sind der größte Glücksfall‘, schreibt die 16jährige Mifti in ihr Tagebuch. Seit dem Tod ihrer Mutter lebt sie in Berlin, und als ‚pseudo-belastungsgestörtes‘ Problemkind durchläuft sie nach ‚Jahren der Duldungsstarre‘ gerade eine extrem negative Entwicklung.

Sehr hübsch verschwurbelte Beschreibung für den deftigen Inhalt.
So sind denn die Rezensenten auch voll des Lobes , wie hier Maxim Biller von der Frankfurter Allgemeinen:

Glauben, lieben, hassen

Ein deutsches Romandebüt mit einer solchen Kraft hat es lange nicht gegeben: Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ ist ein Buch der Revolte gegen die Welt der Erwachsenen.
[…]

Tja, wenn Helene Hegemann die Texte nun wenigstens selber (v)erbrochen hätte,  doch Deef Pirmasens deckt in seinem blog „Die Gefühlskonserve“ schonungslos die ganze Wahrheit über den aus dem Netz zusammengeklickten Roman auf.

Alles nur geklaut

„[…]Ich bin begeistert und frage mich, wie ein 17jähriges (bzw. als sie es schrieb, war sie 16) Kind so etwas schreiben kann. Ist es nicht eher unwahrscheinlich, dass sie sich mit Stoffen wie Heroin und Orten wie dem unvermeidlich vorkommenden Berghain auskennt?
[…]
Helene Hegemanns Quasi-Eingeständnis “ich bediene mich überall” kann nicht als Rechtfertigung herangezogen werden. Es stellt sich viel mehr die Frage, warum andere Rezensenten an dieser Stelle nicht begonnen haben, Lunte zu riechen. Eine Google-Suche hätte sie zu Airens Blog und darin zu seinem Roman geführt.

Vor allem bediente sie sich beim Blogger Airen ganzer Textpassagen und Wortschöpfungen, ohne sie gross umzuschreiben:

Helene Hegemann

“Meine Existenz setzt sich momentan nur noch aus Schwindelanfällen und der Tatsache zusammen, dass sie von einer hyperrealen, aber durch Rohypnol etwas schlecht aufgelösten Vaselintitten-Installation halb zerfleischt wurde.”

Vergleich mit Airens Blogtext Einerseits vom 28. Mai 2009:

“…für Erwachsene, mit farbigem Schattenspiel auf hyperrealen aber durch Rohypnol etwas schlecht aufgelösten Vaselintitten, …“

(Quelle: Deef Pirmasens, Alles nur geklaut)

***

[Update 12.2.10: Echo aus der Blognachbartschaft]

  • Gedenkminute im FEUILLES ET TON bei Cronenburg via Zappadong
    „Wer an dieser Gedenkminute fürs deutsche Feuilleton, den Preis der Leipziger Buchmesse und die Rechtsverluderung in der Buchbranche teilnehmen möchte, braucht nur den hier angeschlossenen Text zu plagiieren, ohne eine Quelle zu nennen […]“

***

Pressespiegel zum Thema:

Posted by bobsmile

0 comments

Lieber Bobsmile, ich bin Frau Wetterfest zuvorgekommen und habe diesen ganzen Blogeintrag 1:1 in mein neues Manuskript kopiert. Sie haben doch sicher nichts dagegen … ist ja heute total gang und gäbe.

Ich habe Ihnen hier gleich noch einen Schönen:

http://www.buchmarkt.de/content/41431-neues-plagiat-loest-jens-lindner-helene-hegemann-ab.htm

Hegemann ist nicht die Einzige, die geklaut hat. Vielleicht gibt es in Zukunft mal Stempel auf den Büchern: „Hier schreibt der Autor noch ganz persönlich und aus erster – nichtwiederverwurstelter – Hand“.

Liebe Frau Zappadong,
nehmen Sie ruhig den Eintrag und veröffentlichen sie ihn bei Ullstein (die entschuldigen sich dann sogar für Sie und holen bei mir nachträglich die Rechte ein.)

Zum neuen Plagiat:
Im Gegensatz zur gehätschelten Hegemann, wurde Jens Lindners „Döner for One“ – ratz fatz – vom Markt genommen, und mit einer reichlich späten Einsicht gesteht er sein unentschuldbares Fehlverhalten mit einer Stellungnahme auf Buchmarkt.de.
Kopfschütteln ist erlaubt.

Ist es verbrieft, daß Helene das plagiiert hat, oder könnte es nicht vom Vater stammen, der ihr das Buch angeblich geschenkt hat? Der Erfolg des Buches steht&fällt doch gerade damit, daß eine 17-jährige Debütantin das geschrieben hat.

Die Indizien der in meinem Beitrag verlinkten Quellen weisen meiner Meinung nach eindeutig auf Abschreiben im grossen Stil hin.
Wenn man den Auftritt von Helene bei Harald Schmidt gesehen hat, so konnte man die Distanziertheit zum „eigenen“ Buch gut erkennen. (Sie ging überhaupt nicht auf „ihr Kind“ ein, sondern haspelte altklug verworrene Weisheiten daher, um sich dabei in Widersprüche zu verstricken.)

Schon möglich dass sich hinter dem Produkt (Helene, 17, Jungautorin) ihr Vater Carl Hegemann versteckt. Doch ungeachtet des möglich wahren Abschreibtäters, wohin soll denn das führen, wenn aus Profilierungssucht und Geltungsdrang uns Lesern und Buchkäufern ein X für ein U vorgemacht wird.
Im Gegensatz zu Helenes Meinung, ich habe den Glauben an Originalität noch nicht verloren.

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